Wagen waschen, Cocktails trinken, gesehen werden: Die boomenden Autowasch-Bars zeugen vom Wandel der Mittelschicht in Kenya
In Kenya ist das Auto ein Statussymbol. Das zeigt man gerne – neuerdings in besonderen Bars.
The Geco car wash and bar in Nairobi. Photo: Gioia Shah
Das Café ist hip, der Soundtrack besteht aus dem Geräusch von Hochdruckreinigern und spritzendem Wasser, und das Klientel sind schicke Nairobier in Anzug und Krawatte. Ein warmer Oktobermorgen im Geco Café in einem wohlhabenden, zentralen Viertel der kenianischen Hauptstadt. Im Schatten einer großen Persenning genießt Mark Ngugi an einem Hochtisch sein Frühstück, während er beobachtet, wie sein Nissan X-Trail blitzsauber geschrubt wird. “Wenn man hier wieder wegfährt, spürt man immer den guten Service.”
Unter der Woche ein Buchhalter, am Wochenende orthodoxer Priester, lässt der 40-Jährige hier zwei Mal die Woche sein Auto waschen, immer morgens. Nachdem er am Wochenende zu seiner Kirchengemeinde auf dem Land über Schotterwege gebraust ist, muss der Nissan Montagmorgens bürofein gemacht werden. Am Ende der Woche muss er nochmal ran, um vor den Gläubigen einen guten Eindruck zu machen. Doch für Ngugi geht es um mehr als ein blitzblankes Gefährt. “Während mein Auto gewaschen wird, nehme ich mir immer Zeit für mich”, sagt der Mann in weißem Hemd und heller Krawatte. “Es ist ein ruhiger Ort, ein guter Ort, um zu sein.”
Das Geco ist Café, Bar und Autowaschanlage gleichzeitig. Tagsüber trinken Mittelklasse-Kenianer und Expats einen Latte mit Freunden oder Kollegen, während ihr Toyota Prado nebenan auf Vordermann gebracht wird, abends kommen die gleichen Kunden für Live-Musik und einen Cocktail in das angesagte Lokal. Das Geco ist eine Institution und Vorreiter. Denn inzwischen sprießen überall in der boomenden kenianischen Hauptstadt Autowasch-Bars aus dem Boden. Dieser Trend ist ein Symptom einer tieferen Entwicklung, die die afrikanische Metropole bewegt.
Trotz Schocks wie der Corona-Pandemie, politischer Achterbahnfahrten und zeitweise hoher Lebenskosten hat das Entwicklungsland Kenia eine stark wachsende Wirtschaft. Vor allem die Mittelschicht ist in den vergangenen Jahrzehnten dadurch stetig angestiegen. Das kann man vor allem an einem sehen: den Autos auf den Straßen. Wurden 2002 noch rund 33,000 und zehn Jahre später etwa 173,000 neue Fahrzeuge in Kenia registriert, waren es 2022 bereits um die 235,000.
“In Kenia ist der Besitz eines Autos ein Statussymbol”, erklärt Beneah Mutsotso, Professor für urbane Soziologie an der Universität von Nairobi. Viele der Nairobianer sind aus ländlichen Regionen zugezogen, wo nur wenige ein Fahrzeug besitzen und dies einen hohen Stellenwert hat. Daher gelte für die Stadtbewohner: “Du kannst alles Geld haben, alle Häuser, aber wenn du kein Auto hast, hast du es noch nicht geschafft.”
Den Autos folgten die Autowaschanlagen. Die meisten bestehen aus ein paar Typen mit Eimern und Schwamm, die die Fahrzeuge am Straßenrand für rund 200 Schillinge (etwa 1,40 CHF) putzen. Waren diese bis vor wenigen Jahren noch an abgelegene Orte verbannt, finden sie sich heute überall wieder, auch in wohlhabenden Gegenden, wie Ökonom XN Iraki erklärt. Einen solchen informellen Betrieb leiten Ibrahim Shisia Wsira und Patrick Sabula zusammen mit Kollegen auf einer wichtigen Verkehrsader in Nairobi. Vor sechs Jahren fingen sie an, konnten nur ein Auto auf einmal putzen, nun finden 15 gleichzeitig bei ihnen Platz, wie sie erklären. Die meisten ihrer Kunden seien App-Taxifahrer, sagt Sabula. “Das Auto ist ihr Büro, und du kannst nicht in einem dreckigen Büro sitzen.”
Doch es geht nicht nur um das Waschen von Fahrzeugen. Die Anlagen sind ein sozialer Treffpunkt. “Hier sehe ich meine Freunde, hier esse ich gutes Essen, hier kriege ich meinen Koffein”, sagt Uber-Fahrer Ian Thuo, der seit drei Jahren, manchmal zweimal täglich, bei Sabula und Shisia parkt. Neben der Rinne, in der Wasser aus einem nahegelegenen Sumpf fließt, das für das Geschäft abgeschöpft wird, steht eine einfache Überdachung, darunter Stühle und Tische. In diesem “Kibandaski” - eine Wortschöpfung aus Kibanda, ein einfaches Straßenrestaurant, und dem Hotel Kempinski - werden kenianische Gerichte wie Sukuma Wiki und Ugali serviert. Hier sitzen vor allem Männer, treffen Freunde oder Arbeitskollegen, vertreiben sich die Stunden. Denn in dieser Sechs-Millionen-Metropole ersetzen die Waschanlagen auch die fehlenden öffentlichen Plätze und Parks. “Ich sehe es mehr als Form von Mittelschicht-Entertainment als irgendetwas anderes”, sagt Ökonom Iraki.
Mit ihrem steigenden verfügbaren Einkommen will die wachsende Mittelschicht nun auch ein gehobeneres Angebot. Anstatt Kibandaskis entstehen schicke Cafés und hippe Bars wie das Geco oder auch Bagel & Coffee, Moov Cafe und Bottle & Wine. Anstelle von Tee oder einfachem Bier werden Cappuccinos und ganze Flaschen Brandy konsumiert. Und statt minikleinen Toyota Vitz oder Suzuki Wagon R rollen hier Toyota Prados oder Porsche Cayennes über den Parkplatz.
“Die Menschen lieben ihre Autos sehr, und noch wichtiger: die Menschen lieben es, mit ihren Autos anzugeben”, sagt Mateus Finato. Der Brasilianer gründete Geco vor sieben Jahren, um den Kunden der Waschanlage nebenan einen Kaffee beim Warten anzubieten. Heute lockt das Café selbst mit seinem exklusiven, jedoch lockeren Ambiente und funky Design, und vor allem mit der Live-Musik abends. Es war ein “Upgrade” der gängigen Autowaschstation, angepasst an den neuen Lebensstil der wohlhabenderen Nairobianer, wie der 38-Jährige erklärt.
Für diejenigen, die mit ihren Autos ein Zeichen setzen wollen, ist Geco die Adresse schlechthin. “Viele Menschen, wenn sie ein neues Auto kaufen, kommen in den ersten Monaten ständig hierher”, sagt Finato. Und die wirklich Reichen, die kommen gleich täglich - jeden Morgen vor der Arbeit, wie die Managerin der Waschanlage, Marriane Munde, erklärt. Das seien “die Politiker und die mit den roten Nummernschildern” - Mitarbeiter von Botschaften und internationalen Organisationen. Soziologe Mutsotso erklärt: “Die Menschen sind ihrem eigenen sozialen Status bewusster und erwarten, dass andere das erkennen.”
Neben dem richtigen Publikum, dem guten Autoservice, dem schmackhaften Menü und einer sicheren Umgebung bieten diese Etablissements vor allem eins: das Wohlgefühl. “Man trifft komplett Fremde, trinkt einen Kaffee zusammen, redet über Politik und wie schwer die Wirtschaftslage ist. Man findet einen gemeinsamen Nenner”, sagt Caroline, die abends mit einer Freundin und einem Glas Wein im Geco sitzt. An diesem Abend gibt es keine Live-Band; stattdessen dröhnen Raggae und Afrobeats aus den Lautsprechern, während die Kundschaft an den aus alten Fahrrädern, Tuktuks oder Vespas gebauten Tischen Wein schlürft. Hier fühle sie sich wohl, weil sie ihresgleichen antrifft, gesteht Caroline - in einer einfachen Waschanlage am Straßenrand wäre sie nicht komfortabel. Die sozialen Schichten mischten sich eben ungern. “Es geht mir nicht ums Auto, sondern um die soziale Interaktion.”